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Integrative Therapie

13/5/2008

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Im Rahmen eines Workshops zur Einführung in die Integrative Therapie (IT) haben wir uns in der Lerngruppe mit der Intergrativen Therapie im Allgemeinen und im Besonderen mit Hilarion Petzolds Hauptwerk „Integrative Therapie: Modelle, Theorien und Methoden für eine schulenübergreifende Psychotherapie“ beschäftigt. Ich habe schnell eingesehen, dass man damit mehrere Monate nur lesend zubringen kann und mich deshalb auf die Suche nach leichter verdaulicher Lektüre begeben. Glücklicherweise bin ich nach längere Suche auf in die Thematik einführende Artikel von Leitner, Sieper und Petzold selbst gestoßen (bspw. Integration und Kreation - Modelle und Konzepte der Integrativen Therapie, Agogik und Arbeit mit kreativen Medien 1996.), die mir ein verhältnismäßig tiefes Verständnis ermöglichten. Ich habe nachfolgend versucht, die Hauptaussagen der genannten Werke zu verdichten und meine Überlegungen in Form von Kommentaren eingestreut.

Die IT, welche seit 1993 in einem dreibändigen Werk von Petzold theoretisch komplett vorliegt, ist nach Meinung vieler Fachleute meisterhaft stringent und kohärent gefasst. Fast jede einzelne Intervention kann bis zur Anthropologie, Ethik, Gesellschaftslehre etc. zurückverfolgt und begründet werden. Ich kannte bislang nur das Werk von Sigmund Freud als beeindruckend kohärentes Theoriegebäude mit direkten Implikationen für die schulengerechten therapeutischen Interventionen. Meiner bescheidenen Meinung nach ist Petzolds IT hier noch einen Schritt weiter gegangen.

Ausgangspunkt der Integrativen Therapie war die Vorstellung, dass der „ganze Mensch“ in seiner leiblichen, emotionalen und kognitiven Realität und in seinen sozialen und mikroökologischen Bezügen behandelt werden müsse und nicht nur seine Psyche - es wird deshalb oft auch von einer Integrativen Humantherapie gesprochen.

Hier sehe ich Parallelen zum systemischen Therapieansatz, in dem den KlientInnen viel Kompetenz zugesprochen wird und kein störungsspezifisches Konzept vertreten wird. Die präsentierte Störung gilt als die bestmöglichste Lösung für das familiäre System in einer Konfliktsituation zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme mit professionellen Helfern. So betrachtet ist auch der so genannte „Indexpatient“ (der Symptomträger) nicht der Kranke, sondern das relevante System (meist die Familie), in der sich die Störung entwickeln konnte. Die präsentierte Störung bzw. die sich darum gebildeten Interaktionen sind die derzeit für das relevante System bestmögliche Lösung in einer Konfliktsituation. Wesentlich ist daher eine wertschätzende Haltung für die bisher „gefundenen“ Lösungen.

In einem mehrperspektivischen Zugang werden Gesundheit und Krankheit kontextabhängig, karrierebezogen und multifaktoriell bestimmt gesehen, wobei negative Beziehungserfahrungen in Interaktion mit supportiven Erlebnissen, „stressfull live events“ in Interaktion mit positiven Lebensereignissen zu „zeitextendierten Belastungen“ (mit den sie begleitenden Überforderungsgefühlen und ihren Bewertungen in „subjektiven Theorien“) fahren können, die als krankheitsverursachend für die Persönlichkeit und ihre Strukturen „Selbst, Ich und Identität“ betrachtet werden. Integrative Therapie schließt damit das medizinische Behandlungsmodell ein, überschreitet es aber deutlich, indem sie sich nicht nur mit Pathogenese und „Risikofaktoren“ sondern auch mit Salutogenese und „protektiven Faktoren“ befasst.

Der Integrative Ansatz kann unter drei Perspektiven gesehen werden:

1. als Metamodell,
2. als Verfahren klinischer Therapie und
3. als methodenintegrative Praxeologie.

Der Begriff Salutogenese hat für mich etwas Faszinierendes. Ich kannte bislang nur den Terminus Pathogenese. Bei Recherchen stieß ich auf den Namen Aaron Antonovsky, der den Begriff Salutogenese prägte, der besagt, dass Gesundheit und Krankheit nicht nur von krank machenden Faktoren (Pathogenese), sondern in gleichem Maße durch gesund machende Faktoren bedingt ist. So wird in der Salutogenese nicht der Leidensweg einer Krankheit betont, sondern der Gesundheitaspekt des Symptoms. Kopfschmerz ist in dieser Sicht bspw. ein Warnsignal. Der Körper macht somatisch darauf aufmerksam, dass etwas nicht in Ordnung ist. Die Verspannung ist danach nicht die Ursache, sondern auch nur ein Symptom. Als Auslöser ließe sich zum Beispiel Stress herausfinden. Damit ist aber immer noch nicht die Ursache gefunden. Diese ließe sich beispielsweise in einer psychologisch gesehenen zwanghaften Charakterstruktur finden. In der Sichtweise der Salutogenese wird der Kopfschmerz also als ein Hinweis verstanden, der eine Chance bietet, um zur flexiblen Mitte zurück zu gelangen. Zwanghaftigkeiten können also Teil von zu heilenden psychischen Verhaltensstrukturen sein, an denen Helfer anknüpfen können. Wird der Kopfschmerz jedoch durch ein Medikament aufgehoben, ist kein Hinweis mehr zur Heilung gegeben. Bildlich ausgedrückt wird also anstatt das Feuer zu bekämpfen, der Brandmelder abgeschaltet. In der Salutogenese wird also der Hauptaugenmerk auf den „Gesundungsweg“ gelegt, zu dem Symptome Hinweise geben können. Damit kann sogar eine Stärkung der Ressourcen erreicht werden, mit denen sich der Klient auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum mehr in Richtung Gesundheit bewegen kann. Bei der IT sind die Prozesse der Pathogenese und Salutogenese untrennbar miteinander verwoben. ~ Faszinierend :-)

Im Zusammenhang mit Praxeologie habe ich mir beim Lesen eine für mich wichtige und interessante Aussage notiert, an deren Quelle ich mich aber leider nicht mehr erinnern kann: “Reflektierte Praxis generiert Theorie, Theorie entwickelt Praxis weiter. Dieser fortschreitende dialektische Prozess ist grundlegend für die Entwicklung von IT als angewandte Humanwissenschaft.“

Der obige Satz dient mir als Eselsbrücke und ist für mich auf Anhieb leichter verständlich als die formale Definition: Die Praxeologie ist der 3. Abschnitt im „Tree of Science“, die Wissenschaft von der systematischen Praxis in der angewandten Humanwissenschaft (Theorie der Methoden, Techniken und Medien; spezifisch für Psychotherapie, Soziologie etc.)

Beim Thema Nachsozialisation sehe ich auch viel Parallelen zur systemischen Psychotherapie. Als Eselsbrücke dient mir hier stets der Titel von Ben Furmans Bestseller: „Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben“.

Die Integrative Therapie greift auf interaktionistische und sozialisationstheoretische Konzepte der Persönlichkeitsentwicklung zurück und stützt sich besonders auf die moderne Baby- und Kleinkindforschung , die zahlreiche Grundpositionen der traditionellen Psychoanalyse in Frage stellt und ein neues Paradigma bietet. Mensch wird man durch den Mitmenschen. Person wird man durch Interaktionsprozesse, durch Ko-respondenz.

„Mensch wird man durch den Mitmensch. Person wird man durch Ko-respondenz“.

Beeindruckend!

Diese beiden Sätze sind nach meinem Dafürhalten in ihrer humanistischen, kommunikativ-intersubjektiven Bedeutung dem Menschenbild in der systemischen Therapie sehr verwandt. Dieses Menschenbild ist wohltuend grundverschieden, von dem, welches m. E. bspw. in der Verhaltenstherapie angenommen wird. 

Die Integrative Therapie verfügt auf der Grundlage der Breite ihres Ansatzes über ein reichhaltiges Repertoire an Methoden, z.B. Integrative Leib- und Bewegungstherapie, Integrative Kunsttherapie, Integrative Musiktherapie, Behandlungstechniken (z.B. Rollentausch, Identifikations- und Dialogtechnik, Lebenspanorama, Körperbilder) und Medien (z.B. Farben, Puppen, Kollagen, Ton usw.), die indikationsspezifisch und prozessorientiert eingesetzt werden können.

Auch die systemische Therapie zeichnet sich durch eine große Methodenvielfalt aus, die vor allem von erfahrenen TherapeutInnen in teilweise beeindruckender Virtuosität an die Bedürfnisse des jeweiligen Klientensystems angepasst werden kann. Wesentlich ist ein hypothesengenerierendes und hypothesengeleitetes Vorgehen, mit dem Ziel festgefahrene und nicht funktionierende Lösungsmuster zu verflüssigen und das Klien-tensystem in die Lage zu versetzen, andere Muster auszuprobieren und an die Bedürfnisse der Mitglieder anzupassen.

Die Integrative Therapie wird aufgrund ihrer Ausrichtung an der Psychologie der Lebensspanne in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und SeniorInnen eingesetzt. Außerdem kann sie aufgrund ihres komplexen theoretischen Ansatzes und ihres breiten behandlungsmethodischen und -technischen Instrumentariums bei einer Vielzahl von Erkrankungen zur Anwendung kommen. Ihre kreativtherapeutischen und leibtherapeutischen Möglichkeiten machen sie für die Behandlung psychosomatischer Störungen, nicht zuletzt auch bei KlientInnen aus benachteiligten Schichten mit eingeschränkter Verbalisationsfähigkeit, sehr geeignet.

Hier zeigt sich für mich ein wesentlicher Unterschied zur systemischen Therapie, bei der die meisten Interaktionen bzw. Interventionen über die Sprache funktionieren. So setzt bspw. das zirkuläre Fragen  bei den KlientInnen ein gutes Sprachverständnis in der Sprache, in der die Therapeutin kommuniziert, voraus. Auch fremdsprachige KlientInnen sind deshalb oft klar im Nachteil.

Abschließend: Das Konzept der Integrativen Therapie hat mich ob seines kohärenten, integrativen Konzeptes inklusive des zugrunde liegenden Menschenbildes mitsamt dem Pathogenese-Salutogenese-Kontinuum stark fasziniert. Manches von dem, was ich im systemischen Therapieansatz vermisst habe, habe ich in der Literatur zur IT als oft zentralen Ansatz gefunden.


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